Donnerstag, 3. Mai 2012

„Fünfzig Jahre Fortschritt in nur zehn Jahren”


 
Vertreter der afghanischen Zivilgesellschaft während einer Diskussionsrunde in der US-Botschaft in Berlin.

On 2012/05/01, in Afghanistan, by Amerika Dienst 
 
WASHINGTON – (AD) – Nachfolgend veröffentlichen wir einen Beitrag von Maja Böhm, Mitarbeiterin der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit an der US-Botschaft in Berlin, aus DipNote, dem offiziellen Blog des Weißen Hauses, vom 1. Mai 2012.

Der afghanische Botschafter in Deutschland, Professor Dr. A. Rahman Ashraf, lächelt den vier jungen Afghanen, führenden Vertretern der Zivilgesellschaft ihres Landes, freundlich zu. Schüchtern erwidern sie das Lächeln. „Das ist der beste Tag meines Lebens seit ich vor 18 Monaten Botschafter in Deutschland wurde!“, verkündet er. Die jungen Afghanen lächeln nun mit einer Mischung aus Beschämung, weil sie im Rampenlicht stehen, und Stolz. Die Worte des Botschafters haben sie sichtlich bewegt. Er fügt hinzu: „Als ich an der Universität in Kabul unterrichtet habe, habe ich gehofft, dass meine Studenten eines Tages Afghanistan in der Welt repräsentieren würden. Und genau dies tun Sie.“

Die Reaktion des Botschafters war wahrscheinlich persönlicher als die Reaktionen bei anderen Terminen, zu denen ich die Gruppe begleitete, aber das ist kaum verwunderlich. An ihrem Tag in Berlin – der Teil einer einwöchigen Reise durch Deutschland, Ungarn und Spanien in der Zeit vom 15. bis 22. April war – haben die jungen Afghanen ihr Publikum allein mit den Schilderungen von ihrer täglichen Arbeit und ihres Alltagslebens in Afghanistan gefesselt. Derartige Informationen bekommen wir nur selten, da sich viele Medienberichte aus Afghanistan ausschließlich auf militärische Aspekte, die Taliban, Drogen oder Korruption beschränken. Wir hören oder sehen nur selten, was engagierte und mutige Einzelpersonen jeden Tag an der Basis tun, um für sich und ihre Kinder eine bessere Gesellschaft aufzubauen.

Die Gruppe bestand aus Razia Arooje, die als nationale Programmverantwortliche im Kabuler Büro einer internationalen Entwicklungshilfeorganisation arbeitet, Freshta Karimi, Leiterin von Da Qanoon Ghushtonky, einer Organisation zur rechtlichen Unterstützung von Frauen und Kindern, Mohammad Sadiq Mohibi, Berater im Ministerium für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte, und Dr. Mirwais Rahimzai, Leiter der Afghanistanabteilung des Center for Human Services/University Research.

In Berlin trafen sie mit deutschen Diplomaten zusammen, die ihnen ihre Ansichten über die aktuelle Lage in Afghanistan aus professioneller diplomatischer Sicht erläuterten. Während eines Mittagessens mit deutschen Journalisten, die aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen in Afghanistan eingeladen worden waren, sprachen die jungen Aktivisten über ihre Arbeit und ihre Gedanken zu Wandel, Korruption, Drogen und das Rechtssystem. Es gab einige Momente, in denen es für die deutschen Journalisten sehr deutlich wurde, mit welcher Realität die jungen Menschen zuhause zu kämpfen haben. Einer der afghanischen Besucher antwortete auf die Frage eines Journalisten: „Wie es ist, in Afghanistan sozial engagiert zu sein? Bereite dich darauf vor, gehasst zu werden!“

Als die Gruppe sich aufmachte, um den nächsten Termin in ihrem engen Zeitplan wahrzunehmen, blieben die Journalisten noch sitzen und dachten über ihre Worte nach. „Bei all meinen Reisen mit deutschen Regierungsvertretern nach Afghanistan hatte ich nie die Gelegenheit, mit afghanischen Bürgern wie diesen zusammenzutreffen und mit ihnen zu sprechen“, sagte ein Journalist. „Es werden immer nur die militärischen Aspekte betrachtet und der Zeitplan ist meist zu eng, um Gespräche mit einzelnen Personen zu führen, wie hier.“

Während eines runden Tisches am Nachmittag in der US-Botschaft nahm eine Gruppe deutscher Abgeordneter, Mitarbeiter, Experten, Akademiker und Journalisten an Vorträgen der Afghanen teil.

Der Arzt Mirwais Rahimzai fasste die Lage der öffentlichen Gesundheit in Afghanistan mit den Worten zusammen „Fünfzig Jahre Fortschritt in nur zehn Jahren“, weil so große Fortschritte gemacht wurden. So konnte die Sterberate von Frauen bei der Geburt deutlich verringert und die Anzahl der Hebammen verzehnfacht werden. Razia Arooje beschrieb ihre Arbeit zur Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt als Möglichkeit der „Einflussnahme auf die Menschen und Provinzen in Afghanistan, die nicht von der afghanischen Regierung erreicht werden.“ Freshta Karimi sagte, dass ihre Rechtshilfeorganisation nur Personen rechtliche Unterstützung gewährt, die versprechen, keine Bestechungsgelder zu zahlen, um so von der Basis aus zum Kampf gegen Korruption beizutragen. Sie bemerkte mit Stolz, dass in den vergangenen Jahren in Afghanistan nicht nur die Zahl der Anwälte insgesamt gestiegen sei, sondern insbesondere auch die der weiblichen Juristen. Mohammad Sadiq Mohibi, dessen Organisation sich für die Rechte von Frauen, Kindern und Behinderten einsetzt, beschrieb seine Teilnahme an der Konferenz in Bonn 2011 und die Rolle, die engagierte Aktivisten beim Wiederaufbau des Landes spielen.

Die US-Botschaft in Berlin lädt seit Jahren Vertreter der afghanischen Regierung oder der Zivilgesellschaft ein, um mit deutschen Kollegen Ansichten und Ideen darüber auszutauschen, wie die gemeinsamen Bemühungen für ein demokratisches, prosperierendes Afghanistan unterstützt werden können. Wir haben das Glück, mit einem starken Partner zusammenarbeiten zu können, der Afghanistan auf so vielfältige Weise unterstützt. Darüber hinaus schätzen wir uns glücklich, die Gelegenheit zu haben, so inspirierende Menschen treffen zu können, die still und beharrlich eine Arbeit leisten, die es nur selten in die Schlagzeilen schafft, dabei aber unglaublich wichtig ist.

Originaltext:  


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